Dienstag, November 07, 2006

onemorebangalore

November. Aus und vorbei der schöne sommerliche Herbst. Ab jetzt wirds früh dunkel und spät hell. Ein böiger Wind pfeift einem in die Ohren und täglich sprüht es unmotivierte Regenschauer vom Himmel. Die bunten Herbstfarben sind bereits einem monotonen, großstädtischen Grau gewichen. Die Bäume strecken ihre schwarzen und dunkelbraunen Äste in den Himmel, die Sträucher ranken sich dahin. Kombiniert mit dem allumfassenden, omnipräsenten Straßen-Hintergrundlärm ergibt das eine ernüchternde, eher trostlose Daueratmosphäre der Unentrinnbarkeit der Stadt.
Das Thema der Entkommens ist gerade recht dominant in meinem eher nicht so ekstatischen Leben. Die Arbeit ist unwahrscheinlich monoton und nervtötend. Die Inhaltslosigkeit meines Tuns wirkt sich ziemlich ungut auf die abnehmende Aktivität meiner Neuronen und Gehirnzellen aus. Die täglichen neun Stunden in der Arbeit sind eigentlich fast völlig inhaltsleer. Ich kopiere Information von einem Medium ins Andere. Sonst mache ich eigentlich nichts. Ich rede mit Kollegen - das nimmt einen geringen Anteil der Beschäftigung ein - und ich suche Fotos aus. Und ich nehme diverse Anordnungen meiner Vorgesetzten entgegen und setze sie um, möglichst ohne nachzudenken. Zwischendurch bekommt man mit, dass die Anderen mindestens ebenso frustriert sind. Aber niemand zeigt es. Und ich auch nicht. Naja. In vertraulichereren Gesprächen teile ich es schon mit. Aber es ist mir rätselhaft, wie man so eine Arbeit machen wollen kann. Können machen wolle. wollen machen kann. kachen mollen wann....oder so.
Tja, und aus dieser Situation heraus denke ich mir alle paar Minuten: Wie komme ich hier raus?

Ich wollte eigentlich nie hierherkommen - und bin trotzdem hereingestolpert in das typische Leben, das keiner führen will: hackeln, heimkommen, mit kind spielen, essen, fernschauen, pennen. aufstehen. dazwischen mit frau reden, mal eine runde vögeln - obwohl der öde job meine libido auch beeinträchtigt. allerdings entliebt man sich auch durch die ödnis in der arbeit.
jedenfalls denke ich mir auch: was wäre denn weniger spießig: rumvögeln, mehr saufen gehen, nicht arbeiten und mich nicht um meine kleine familie kümmern? oder wäre genau das nicht voll armselig? Am schlimmsten ist aber - um es nocheinletztesmalzuwiederholen - die geistige Inhaltslosigkeit der Arbeit. Die ist echt schlimm. So jetzt ist es gesagt. Und Ende.

Am Heimweg hab ich mich jetzt ein paar Mal in den Stephandsom gesetzt. Die Gedanken fließen lassen. Am Abend geht es, da sind nicht mehr soviele Touristen. Wobei es erstaunlich ist: diese Menschen stieren in ihren Reiseführer, rennen in den Dom, einmal nach vor an den Altar, dann an die Seite, zu kleineren Heiligenbildern, schauen dann einmal wortlos hinauf an die Decke der hohen, säulengetragenen Räume und dann rennen sie raus. Aber sie sehen nicht. Sie sehen eigentlich nichts.
Und ein weiteres Phänomen ist der Fotoapparatenmaniac. Er hat meistens ein ultraaffengeile Digitalkamera umgehängt, mit einem langen, langen Ding, heisst Objektiv gefährlich nach vorn gerichtet. Damit verewigt er dann die spannendsten Anblicke auf seinem Kamerachip. Hinter ihm, meist wortlos und zur Ahnungslosigkeit verdammt trottet seine Ehefrau, die - so scheint es - ihren Mann quasi Foto-Gassi führt. Er fotografiert alles, was irgendwie nach einem Bild fürs Fotoalbum ausschaut. Häuser, Strassen, Laternen, Speisekarten, Türen, Tore, Fenster, die TRagflächen des Charterjets. Alles. Das löst in mir diese Vision aus, von endlosen Weihnachtsabenden, wo dann erbarmungslos jedes verdammte, der dreihundert Fotos angeschaut, kommentiert und besproechen wird. Dabei ist der stolze Bilderjäger von Fotograf meist schon ein bisschen angetrunken und blickt voller Selbstzufriedenheit auf sein entbehrliches Machwerk, Schweißperlen auf der Stirn, den Mund zu einem leichten, zufriedenen Lächeln verzogen. Eiskalt.
Und ich sitz da auf einer der Holzbänke und bin hundemüde und geh dann irgendwann heimwärts. Und das war´s. Und denk mir, das Leben muss doch mehr übrig haben für uns Menschen. Gott hat das doch nicht einfach nur so geschaffen. Das kann nicht sein. Oder?

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