Sonntag, Juni 03, 2007

Eskalation der Liebe

Ein Donnergrollen mengt sich in das krachende, klirrende, hypnotische Klanggewitter - den zur Chaossymphonie gemixten Maschinenlärm, der sich wie ein Pilzgeflecht um den gleichmäßigen, aber viel zu schnellen Herzrhytmus schmiegt. Darin, wie tanzende Bojen auf den Wogen des Meeres, die Menschen, die schon Teile der Musik geworden sind, magnetisch angezogen von den unsichtbaren Kraftlinien, die den 40.000 Watt-Boxen entgleiten, die ihre Knoten und Netze bilden, fast schon Marionetten-Leinen sind.
Plastische Formen, organische Muster, Anti-Strukturen auf einer Waldlichtung unter dem freien Sternenhimmel, der Messgesang für die Lichtjahre weit weg liegenden, vielleicht schon nicht mehr existierenden Sterne, die wie Augen, Risse im Himmelszelt herunterstarren.
Nur noch die Erinnerung an sie erreicht diesen entlegenen Ort, der sonst vereinzelte Seelen anzieht, die ein rotbeleuchtetes Haus besuchen, indem die Liebe gegen Geld konsumierbar ist. Hinter vereinzelten Fenstern brennt Licht, hie und da blickt eine der Frauen, die den Männern sexuelle Freuden schenken, hinter dem Vorhang hervor.
Die Tausenden Anderen aber stehen im Bann der Musik, die - je mehr man sich ihr nähert ein komplexes, vielschichtiges Gebilde wird, jedem einen Zipfel zum Festhalten bietet und bei größerer Distanz nur noch ein sich ins Hirn bohrendes Wummern ist.
Es ist finsterste Nacht.
Und auch hier kann in wenigen Momenten eine Verbindung entstehen, eine Art Knoten. Eine Anziehung. Nicht aufzulösende Verknüpfungen von Geistern, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind und nur ein gemeinsamer Geist sein wollen.
Aus dem Nichts heraus entwickelt sich die sonst so wählerische geheime Schriftrolle der Liebe und spielt ihr endloses Spiel.

Es gibt vieles zu sagen.
Zu tun.
Und nicht zu sagen.
Zeit als Kraft von verschwindender Wichtigkeit.
Und Augenblicke die nicht zu messen sind.
Blau der Kanon der Nacht.
Nur in Beats bewegt das Leben sich fort.
Wie leise Schritte
die einander näherkommen.
Geschmack der Vergänglichkeit.
Behutsame Schritte über ein unebenes Feld.
Das Dach des Zeltes flattert im Wind.
Kurz hebt sich der Schranken
in dessen Grenzen wir uns sonst bewegen.
Hätte man die Hand ergreifen sollen?
Oder ist es einfach so gekommen -
wie es schon immer sein sollen hat?
Soll es - klingt die Frage laut - die faszinierte Suche nach etwas bleiben -
das sich nach Ausdruck sehnt?
Ein Rätsel zum Rätseln gemacht?

Später plätschert der Regen gegen die verschmierte Fensterscheibe. Im Licht des frühen Morgens stolpern die blassen Gesichter, die nun blutleer und dem Tod näher als dem Leben scheinen, in Regenpfützen auf und ab.
Kochende Teekessel. Musik. Der Herzrhymtus - doch in einer Form, die nur vortäuscht das beruhigende Pochen eines Mutterherzens zu sein. Immer noch Menschen, die der Musik ausgeliefert sind, deren Körper selbst schon Klang geworden ist.
Irgendwo - doch wo? - scheint die Sonne zu scheinen. Spendet ein Licht, das alles in bläuliche Farbe taucht. Donnergrollen, als würde es in den Rhytmus der Musik einstimmen. Doch es ist jetzt viel mächtiger als alles andere. Als würde die Musik zum Instrument der Natur verkommen. Eben erst erwacht - die Täler und Berge, die Wälder und Wiesen.
In vollkommener Stille liegt die Welt vor mir.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wow - spannender Text!