Dienstag, November 28, 2006

Die Kathedrale

Eines Tages stand ich am Rande des großen Gebetsraumes in der Kahtedrale, von der ich euch bereits erzählt hatte. Es war spät in der Nacht. Am Heimweg von meiner monotonen Arbeit - ich arbeite in der Informationsindustrie - beschloss ich, meine Gedanken zu sammeln und mich von der besinnungslosen Monotonie meines Alltags zu befreien. Also machte ich Halt in der Kathedrale.
Eine alte Frau, eingehüllt in eine dicke Jacke, mit einem Kopftuch auf, sodaß man ihr Gesicht nicht sehen konnte, saß regungslos auf einer der Holzbänke. Sie schien in ihr Gebet versunken zu sein, oder vielleicht war sie eingenickt. Sie hätte auch tot sein können.
Meistens aber sind solche Menschen am Leben. Daher kümmerte ich mich vorerst nicht weiter darum. Ich war froh, dass nicht irgendwelche leer dreinblickenden Touristen durch diesen heiligen Ort stolperten. Sie minderten den Geist solcher Plätze, fand ich. Und sie kamen nur an all die historischen und sakralen Orte, weil es in irgendeinem Reiseführer drinnen stand. Sie kamen, aber sie sahen nicht. So nahm ich es jedenfalls an. Und sie trotteten wie Lemminge wieder davon und wenn sie nicht dagewesen wären, würde es nicht den geringsten Unterschied für sie, oder für den Ort machen.
Nach einiger Zeit kam eine Frau in die Kathedrale. Ihr Schuhe mit Holzabsätzen hallten in dem weiten Raum. Sie hatte einen hektisch wirkenden Gang. Als würde sie eilig wohin müssen. Oder als würde sie gerade von einem ärgerlichen Gespräch kommen. Sie sah mich nicht, und die alte eingenickt Frau beachtete sie auch nicht.
Die Frau ging entschlossen ganz nach vor an den Altar. Ich konnte sie schon fast nicht mehr sehen, da sich in dem dunklen Licht die Konturen und Bewegungen für dem golden schimmernden Altar verloren. Ich konnte nicht genau erkennen, was sie vorne machte. Es schien, als würde sie unterschiedliche Dinge in Ordnung bringen. Aber nicht im Sinne von Aufräumen. Anders.
Dann kam sie wieder zurück. Dabei erblickte sie mich. Zuerst wich sie meinem Blick aus, ich musterte sie aber. Sie hatte dunkle Augen. Ihre Haare waren rot. Sie wirkte wie eine erwachsene Frau. Keine verwirrte Studentin, jedenfalls. Irgendwie wollte sie im ersten Moment die Kathedrale gleich wieder verlassen. Aber in ihrer Bewegung war ersichtlich, dass sie ihren Entschluss während des einen Moments noch änderte. Mir wurde aus irgendeinem Grund ganz heiß, als sie entschlossen vor mich trat und mit einem ernsten, sachlichen Blick ansah. "Haben sie Walter gesehen?" Ich schüttelte sprachlos den Kopf. "Nein. Weiss nicht." Sie nickte kurz, blickte auf ihre Uhr. "Könnten sie kurz mitkommen? Ich brauche ihre Hilfe."

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